
Von der Objekt- zur Subjektfinanzierung
Am 25. März 2025 fand im Rahmen der Mitgliederversammlung von SOCIALBERN eine Podiumsdiskussion zum Thema «Was bedeutet der BLG-Systemwechsel für die sozialen Institutionen?» statt. Expert:innen aus Praxis, Bildung und Politik beleuchteten unterschiedliche Perspektiven und warfen offene Fragen auf.
Vielfältige Perspektiven auf den Systemwechsel
Das Gesetz über die Leistungen für Menschen mit Behinderungen (BLG) bringt weitreichende Veränderungen für soziale Einrichtungen mit sich. Deshalb war das Podium bewusst interdisziplinär besetzt: Marianne Bosshard, Bereichsleiterin Sozial- und Kindheitspädagogik HF an der BFF Bern, brachte die Ausbildungsperspektive ein. Kathrin Wanner, Vorsitzende der Geschäftsleitung der BWO Langnau, und Peter Gerber, Geschäftsführer von Frienisberg – üses Dorf, teilten ihre praktischen Erfahrungen aus der Institutionsleitung. Peter Gerber berichtete zudem aus seiner Arbeit im Grossen Rat, der das BLG verabschiedet hat.
Ein Gesetzt für eine heterogene Zielgruppe
Das BLG stellt die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderungen ins Zentrum, adressiert dabei jedoch eine sehr diverse Zielgruppe mit vielfältigen Bedarfen.
Für die Institutionen bedeutet der Systemwechsel einen Paradigmenwechsel: Sie müssen sich verstärkt an den individuellen Bedürfnissen der Klient:innen orientieren. Während dieses bedarfsorientierte Arbeiten in der Ausbildung bereits verankert ist, steht vielen Institutionen ein kultureller Wandel noch bevor.
Unsicherheiten in der Umstellungsphase
Das BLG trat am 1. Januar 2024 in Kraft und wird innerhalb von vier Jahren schrittweise umgesetzt. Nach über einem Jahr befinden sich jedoch viele Institutionen noch immer in der Umstellung. Diese Verzögerung führt zu Unsicherheiten und fehlender Planungssicherheit.
Besonders kritisch wird die sehr strenge Auslegung der Subsidiarität gesehen, die während des laufenden Prozesses eine Änderung der Rahmenbedingungen bedeutet. Viele Institutionen wissen daher noch nicht, wie sie ihre Ressourcen langfristig planen können.
Abgrenzung zwischen Agogik und Pflege
Die Podiumsteilnehmenden betonten, dass auch Leistungen nach dem Krankenversicherungsgesetz (KVG) berücksichtigt werden müssen. Gleichzeitig unterstrichen sie die zentrale Aufgabe sozialer Institutionen: Menschen mit Behinderung zur Selbstbestimmung und Selbstständigkeit zu befähigen.Die genaue Abgrenzung zwischen agogischen und pflegerischen Leistungen bleibt jedoch schwierig und bedarf weiterer Klärung. Dazu ist ein überparteilicher Vorstoss im Grossen Rat hängig von dem sich viele mehr Klarheit erhoffen.
Fachkräftemangel und interdisziplinäre Teams
Neben der finanziellen Unsicherheit sorgt der Systemwechsel auch für Fragen zur zukünftigen Personalzusammensetzung in den Institutionen. Obwohl interdisziplinäre Teams als bereichernd gelten, zeigt die Erfahrung, dass der Sozialbereich für Pflegefachkräfte wenig attraktiv ist.
Zusätzlich streben viele Institutionen an, ihr Personal selbst auszubilden und Weiterbildungen zu ermöglichen. Allerdings sollen im Rahmen des Systemwechsels weniger Leistungen verfügt werden, die eine tertiäre Ausbildung erfordern. Dies könnte die Ausbildung und Rekrutierung qualifizierter Fachkräfte langfristig erschweren.
Blick in die Zukunft
Abschliessend wagte das Podium einen Blick auf die kommenden zehn Jahre. Die Unsicherheit über die langfristigen Auswirkungen des BLG bleibt gross.
Einige Teilnehmende wünschen sich, dass soziale Institutionen stärker in den Sozialraum integriert werden. Andere betonten die Notwendigkeit, flexibel zu bleiben und auf sich wandelnde Bedarfe zu reagieren. Klar ist: Institutionen wird es auch in zehn Jahren geben, aber sie werden anders aussehen.