
Grosser Rat verabschiedet BLG
Bern, 13.06.2023
MEDIENMITTEILUNG
Grossrat verabschiedet Gesetz über die Leistungen für Menschen mit Behinderungen (BLG)
Ja zum BLG ein wichtiger Schritt – sorgfältiger Systemwechsel ist aber zwingend
Mit der heutigen Verabschiedung des Gesetzes über die Leistungen für Menschen mit Behinderungen (BLG) macht der Kanton Bern einen wichtigen Schritt zu mehr Selbstbestimmung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. SOCIALBERN begrüsst den Wechsel von der Objekt- zur Subjektfinanzierung. Gleichzeitig bestehen Fragezeichen bezüglich der erfolgreichen Umsetzung. Die im Grossen Rat in der zweiten Lesung verabschiedeten Anpassungen bringen nur partielle Verbesserungen.
Neues Modell grundsätzlich ein wichtiger Schritt
SOCIALBERN, der Verband der sozialen Institutionen, setzte sich im Gesetzgebungsprozess ein für die Stärkung von Selbstbestimmung, Wahlfreiheit, Eigenverantwortung und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen. Mit dem neuen Gesetz haben die Menschen mit Behinderungen mehr Wahlmöglichkeiten als heute und können vermehrt selbst entscheiden, wie sie wohnen und von wem sie unterstützt werden. Diese Stärkung – und damit verbunden der Wechsel von der Objekt- zur Subjektfinanzierung - wird von SOCIALBERN explizit begrüsst.
Das vorgeschlagene System geht grundsätzlich in die richtige Richtung und ist ein wichtiger erster Schritt zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention, wozu sich die Schweiz mit der Ratifizierung verpflichtet hat. Ein bedeutender Meilenstein wurde heute erreicht.
Zusätzlicher Druck auf Institutionen und somit auch auf Betreuung der Menschen mit Behinderungen
Gleichzeitig zeigte die Debatte im Grossen Rat eindrücklich auf, dass unverändert viele Unsicherheiten für einen gelingenden Systemwechsel bestehen. Von verschiedenen Parteien wurde attestiert, dass den Institutionen ein harscher Wind entgegenbläst.
Dass mit dem neuen Modell mehr Menschen mit Behinderungen Leistungen beziehen können als bisher, wird von SOCIALBERN explizit begrüsst. Festzuhalten ist aber, dass die Ausweitung der anspruchsberechtigten Menschen zu einem wesentlichen Teil durch Einsparungen von CHF 42.1 Mio. bei der Leistungserbringung bei den rund 3'000 Bewohner*innen von Wohnheimen finanziert wird. Gleichzeitig fallen aufgrund des neuen Systems für die Leistungserbringer erhebliche Mehraufwände an, die nicht abgegolten werden. Für die Institutionen bestehen somit erhebliche finanzielle Risiken. Selbstverständlich sind die Institutionen bereit, ihren Anteil zu einer erfolgreichen Umsetzung zu leisten. Sie passen ihre Strukturen und ihre vielfältigen Angebote an die neuen Rahmenbedingungen an. Mit dem im Vortrag zur BLG genannten Einsparungen, den im Entwurf der Verordnung zum BLG festgehaltenen, im Vergleich zu heute z.T. deutlich tieferen Abgeltungssätzen für Betreuungsleistungen sowie den heute noch unbekannten Ergebnissen der Bedarfsermittlungen wird es aber zwangsläufig zu einschneidenden Veränderungen kommen - auch mit Auswirkungen auf die Unterstützungsleistungen für Menschen mit Behinderungen und die Mitarbeitenden der Institutionen.
Sorgfältige Überführung sicherstellen
Umso wichtiger ist eine gelingende Überführung in das neue System. Der Systemwechsel ab 01.01.2024 bringt viele Unvorhersehbarkeiten mit sich. Er ist ein wichtiger, aber auch gewaltiger Kraftakt für sämtliche Involvierten. Die konkreten Auswirkungen für die einzelnen Institutionen sind erst nach deren Überführung ins neue System sichtbar und bergen erhebliche Risiken, welche zu finanziellen Schieflagen führen können. Eine gelingende Überführung braucht Zeit und eine sorgfältige Umsetzung, um negative Auswirkungen auf die Betreuungsqualität für die unterstützten Menschen mit Behinderung zu vermeiden und notwendige Entscheide beim Personalbestand angemessen und sozial verträglich umzusetzen.
Der Kanton hat die Verantwortung über die Versorgungssicherheit und die erfolgreiche Systemumstellung. Die in der Grossratsdebatte gestellten Anträge mit dem Ziel, zusätzliche Instrumente zur Sicherung eines gelingenden Systemwechsels bereit zu stellen, stiessen auf beträchtlichen Rückhalt, wurden aber leider nur zum Teil angenommen.
SOCIALBERN erwartet von der zuständigen kantonalen Direktion,
- dass sie zur nachhaltigen Sicherstellung der Qualität und Verfügbarkeit des Angebots für Menschen mit Behinderungen die im Gesetz grundsätzlich vorhandenen Möglichkeiten nutzt, um einen guten Übergang ins neue System zu gewährleisten. Dazu gehört auch die zeitlich beschränkte Unterstützung von Institutionen, die aufgrund des Systemwechsels in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
- dass die Rückmeldungen in der Konsultation der Verordnung (BLV) sorgfältig ausgewertet werden und insbesondere die Abgeltungen für stationäre und ambulante Leistungen so festgelegt werden, dass entsprechende Angebote in genügender Anzahl und angemessener Qualität bereit gestellt werden können.
- dass in der Übergangszeit bei unerwünschten Entwicklungen rasch mit notwendigen Anpassungen reagiert wird.